Zeichenbezogene Faktoren
Schriftgröße
Als Schriftgröße wird die gesamte vertikale Ausdehnung einer Schrift mit ihren Ober-, Mittel- und Unterlängen angegeben, und zwar in der Maßeinheit Punkt (1 Pica-Punkt = 0,353 mm). Je nach Schriftart fallen die Proportionen allerdings sehr unterschiedlich aus: Bei gleicher Schriftgröße können Versalhöhen bis zu 20 %, Mittellängen bis zu 40 % und Unterlängen bis zu 30 % differieren. Daher wirken verschiedene Schriftarten bei gleicher Punktgröße unterschiedlich groß. Die entscheidende Größe für die Lesbarkeit ist bei gemischter Schreibweise allerdings die Mittellänge1 .
Daher beziehen sich die hier angegebenen Schriftgrößenempfehlungen der DIN 1450 auf die Mittellänge. Die angegebenen Punktgrößen dienen lediglich als ungefähre Annäherungswerte2 .
Da die Mittellänge in Computerprogrammen nicht angezeigt wird, muss sie im Einzelfall nachgemessen werden. Für das Programm Adobe InDesign steht jedoch ein externes Plug-in zur Verfügung, das leicht zu installieren und intuitiv zu bedienen ist. Erläuterungen und Download zum InDesign-Plug-in finden sich auf typografie.info.
Neben der Textart bildet der Betrachtungsabstand des Lesers zum Text einen wesentlichen Aspekt der Schriftgrößenbestimmung. Während ein Buch mit dem Abstand einer Unterarmlänge gelesen wird, hält man ein Handy meist näher vor die Augen, ein Desktop-Monitor ist etwa 70 Zentimeter entfernt und ein Straßenschild möchte man bereits aus 10 Metern Entfernung lesen können.
Die individuelle Sehschärfe (Visus) und die jeweiligen Sichtbedingungen – wie z. B. Beleuchtung oder Kontraste – sind der dritte bestimmende Faktor für die Schriftgröße.
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Hinweis: leserlich.info beschränkt sich zur Schriftgrößenbestimmung auf die oben genannten drei Faktoren. Dieses Verfahren ist vereinfacht, denn es gibt neben der Visusbestimmung weitere Methoden, um Informationen über die Lesefähigkeit von Menschen mit Sehbehinderung zu erhalten.
Die Schriftgrößenempfehlungen der DIN 1450 beziehen sich auf eine normale Sehschärfe von mindestens 70 % (Visus ≥ 0,7). Bei geringerer Sehschärfe kann die jeweilige Schriftgröße mit einem dem Visus entsprechenden Faktor multipliziert werden, um eine ausreichende Schriftgröße zu erreichen. Allerdings kann die Schriftgröße nicht beliebig vergrößert werden, da die Begrenzung des Gesichtsfeldes sowie Spaltenbreiten, Formate und technische Lesehilfen hier Grenzen setzen. Daher hat sich ein Faktor von 1,4 (Visus ≥ 0,5) bis maximal 1,75 (Visus ≥ 0,4) als praktikabel erwiesen. Mit diesem kann die Schriftgröße multipliziert werden, wenn Texte speziell an Leserinnen und Leser mit Sehbehinderungen gerichtet sind. Für alle anderen Anwendungen sind die Standardschriftgrößenempfehlungen der DIN 1450 ausreichend.
Entscheidend für die richtige Schriftgröße ist im Zweifel ein Test des Entwurfs unter realen Bedingungen.
Schriftgrößenrechner
Mit diesem Schriftgrößenrechner können häufige Anwendungsszenarien ausgewählt und konkrete Mittellängen entsprechend der DIN 1450 ermittelt werden (die Angabe der Schriftgröße in Punkt gibt dabei lediglich Annäherungswerte wieder).
Als Faustregel kann man, wie oben erläutert, von folgenden Visuswerten ausgehen:
- Texte für die breite Bevölkerung: Visus 0,7
- Texte für Senioren und sehbehinderte Menschen: Visus 0,4 – 0,5
- Bei Textspalten, die schmaler als 10 cm sind, kann auch ein Visus von 0,6 zugrunde gelegt werden.
- Bei Schildern, die zur Leitung und Orientierung dienen, fordert der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (gemäß DIN 32975) einen Visus von 0,1 anzusetzen.
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Um bei Texten ein Herantreten zu ermöglichen, sind diese in einem Bereich von 1,00 m bis 1,60 m Höhe anzubringen. Bei Schildern, die der Leitung und Orientierung in einem Gebäude dienen und/oder über Kopf hängen und somit kein Herantreten ermöglichen, ist zur Berechnung der notwendigen Schriftgröße laut DIN 32975 ein Visus von 0,1 anzusetzen.
Für die Bestimmung des Betrachter-Abstandes ist die Anbringungshöhe des Schildes relevant. Der Betrachter-Abstand kann geometrisch wie folgt ermittelt werden: Es ist die Länge einer von der horizontalen Mittelachse der Mittellänge der Schrift einer im 45° Winkel gezeichneten Linie bis zum Schnittpunkt mit einer horizontalen Linie in Höhe von 1,60 m, welches die Höhe der mittleren Sehachse einer stehenden Person ist. Ab einer bestimmten Anbringungshöhe sind Stauchungen der Schrifthöhe zu berücksichtigen. (Siehe dazu auch DIN 32975).
(Abbildung des Sehwinkels vergrößert)
Individuelle Eingabemöglichkeiten für das Mittellängen-Schriftgrößenverhältnis, Beleuchtungsverhältnisse, sowie die virtuelle Auflösung lassen sich in der Expertenversion des Schriftgrößenrechners simulieren.
Je nach Relevanz der Einhaltung bestimmter Normen ist eine zusätzliche Prüfung nach den vollständigen Kriterien der DIN 1450 und ggfs. weiterer Normen unumgänglich.
Zusammengefasste Empfehlungen
Schriftgröße
- Die Schriftgrößenempfehlungen der DIN 1450 berücksichtigen unterschiedliche Textarten, den Betrachtungsabstand und die Sehschärfe (Visus) und beziehen sich auf die Mittellänge, die in Millimetern angegeben wird.
- Für Menschen mit Sehbehinderungen wird die Multiplikation der angegebenen Größen mit einem Faktor zwischen 1,4 und 1,75 empfohlen (Visus 0,4 bis 0,5).
- Der Schriftgrößenrechner erleichtert es, die richtige Schriftgröße für den konkreten Anwendungsfall zu ermitteln.
- Bei hellem Text auf dunklem Hintergrund sollte die Schriftgröße um 10 % erhöht werden.
Fußnoten
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DIN 1450
Schriften – Leserlichkeit
Ausgabe April 2013
Jan Filek
Read/ability – Typografie und Lesbarkeit
Niggli 2013
Indra Kupferschmid
Buchstaben kommen selten allein
Niggli 2001
Gerard Unger
Wie man’s liest
Niggli 2009
Hans Peter Willberg
Wegweiser Schrift
Verlag Hermann Schmidt Mainz 2001
Florian Adler, Sven Neumann
Leserlichkeit von Schrift im Öffentlichen Raum
in: J. Eckert, C. Fischer, I. Pfeiffer, P. Schäfer, A. Uebele u.a. (Hg.)
Schrift und Identität, Niggli 2013 -
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DIN 1450
Schriften – Leserlichkeit
Ausgabe April 2013